Liebe:r Leser:in,
was Sie gerade lesen, ist keine gewöhnliche Zeitung. Wir, Anrainer:innen der Donaustadt, Aktivist:innen unterschiedlicher Gruppen und engagierte Bürger:innen mit ganz verschiedenen Hintergründen, haben sie zwischen Kundgebungen, Camp-Alltag und Lohnarbeit ehrenamtlich gestaltet und verteilen sie ehrenamtlich. Warum?
Die Wiener Stadtregierung lässt eine Autobahn mitten durch Hirschstetten bauen. Sie hat, teilweise illegal, Bäume fällen und Rehe erschießen lassen. Sie hat dafür gesorgt, dass Klimaschützer:innen mit Pfefferspray und Schlagstöcken aus Zelten, von Bäumen und von Baggern geprügelt werden. Der Weltklimarat, ein Zusammenschluss unabhängiger Wissenschaftler:innen, der die weltweite Forschung zum Klimawandel zusammenträgt, warnt vor drastischen Konsequenzen, wenn wir weitermachen wie bisher. „Wir haben einen Klima-Notfall“, sagt António Guterres, Generalsekretär der Vereinten Nationen. Der Krieg in der Ukraine zeigt, dass uns die Abhängigkeit von Öl und Gas nicht nur durch die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen bedroht, sondern auch Kriege finanziert. Diese globalen Probleme sind untrennbar mit Entscheidungen auf der lokalen Ebene verbunden. Noch mehr Straßen zu bauen, für noch mehr Autos, die noch mehr Treibstoff verbrennen, ist nicht nur klimapolitisch fatal. Straßenbau auf der lokalen Ebene trägt zu sozialer Ungerechtigkeit, Wirtschaftskrisen und Kriegen auf der globalen Ebene bei. Dennoch hält die Wiener Stadtregierung an ihren kurzfristig gedachten, fossilen Plänen fest.
Deshalb haben wir uns im Sommer 2021 zur Bewegung LobauBleibt zusammengeschlossen. Auf Baustellen sind Protestcamps entstanden, wir haben Demonstrationen und Informationsveranstaltungen organisiert. Heute sind wir Tausende, die sich gegen die Autobahn und für eine ökologische und sozial gerechte Mobilitätswende einsetzen. Die Stadtregierung gibt hunderttausende Euro für Inserate aus. Als zivilgesellschaftliche Bewegung haben wir kein großes Budget, aber wir haben unsere Überzeugung, dass wir dieser zukunftsfeindlichen Politik etwas entgegensetzen müssen. Wir finanzieren die Zeitung mit kleinen Spenden, gestalten und verteilen sie freiwillig. Gemeinsam setzen wir uns für eine lebenswerte Zukunft für uns alle ein.
Sie müssen nicht Ihr Zelt auf einer Baustelle aufschlagen, um die Bewegung zu unterstützen. Machen Sie sich selbst ein Bild und fühlen Sie sich herzlich eingeladen, sich zu beteiligen. Wien ist, was wir daraus machen.
Ihre LobauBleibt-Redaktion
Alexander Behr, Mattis Berger, Christian Bunke, Karl, Marlene Deibl, Isabell
Eckl, Manuel Grebenjak, Mira Kapfinger, Anna Kontriner, Angie Lorenz,
Jutta Matysek, Kurto Wendt
Die Stadtautobahn
Die sogenannte „Stadtstraße“ Aspern soll – nach den Plänen der Stadtregierung – mitten durch die Donaustadt führen und die Grundlage für die Lobauautobahn darstellen. Klimaministerin Gewessler hat diese im Herbst abgesagt, aber die Stadtregierung hält nach wie vor daran fest. Bei der 3,2 km langen, vier- bis sechsspurigen Straße, die weder Gehsteige noch Fahrradstreifen haben soll, handelt es sich im Grunde um eine Autobahn, daher bezeichnen wir sie als Stadtautobahn. Die geschätzten Kosten betragen € 460 Millionen – also über € 140 Millionen pro Kilometer. Seit Jahren protestieren Anrainer:innen und Klimaschützer:innen gegen das Projekt. Die Stadtregierung hat jedes ernsthafte, lösungsorientierte Gespräch und jede Einbeziehung von wissenschaftlich fundierten Alternativen abgelehnt und mehrere Protestcamps polizeilich räumen lassen.
Wer profitiert von der Stadtautobahn?
Wird über die Stadtautobahn und die Lobauautobahn geredet, dann dreht sich die Debatte oft um die lokale Verkehrssituation in der Donaustadt. Doch diese ist nicht der Hauptgrund, warum die Stadt Wien gemeinsam mit der Wirtschaftskammer die beiden Projekte durchsetzen will. Worum geht es wirklich? In der zu Jahresbeginn veröffentlichten Zukunftsvereinbarung zwischen der Stadtregierung und der Wirtschaftskammer zeigt die SPÖ Wien ihr wahres Gesicht: Sie betreibt knallharte Standortpolitik im Interesse großer Konzerne. Wien soll demnach zum Drehkreuz des internationalen Güterverkehrs werden. Durch eine Anbindung an den LKW-Schwerverkehr würden riesige Mengen an Waren zu neuen Logistikzentren am Stadtrand gekarrt werden. Ludwig versprach der Wirtschaftskammer im Jänner den Bau der Lobauautobahn, obwohl diese bereits von Klimaministerin Gewessler abgesagt worden war. Um Stadtautobahn und Lobautunnel durchzusetzen, hat die Wirtschaftskammer Martin Biach (ÖVP) als „Standortanwalt“ eingesetzt.
Die Stadtautobahn und ihre Welt
Dabei geht es nicht um den von der SPÖ medial viel zitierten Zusammenhang mit sozialem Wohnbau. Von den Autobahnen sollen große Betriebe profitieren, die kleinen, lokalen Unternehmen Konkurrenz
machen. Fruchtbare landwirtschaftliche Böden werden umgewidmet, u. a. für den Bau von Logistikhallen verkauft und für immer versiegelt. STRABAG und PORR, die auf eine langjährige, enge Beziehung mit
der SPÖ zurückblicken, kassieren mit der Stadtautobahn mindestens € 150 Millionen. Auch der Wiener Flughafen bekam einen Auftrag für die Bauaufsicht. Das ist kein Zufall: Er gehört zu den Investor:innen in
Logistikzentren.
Im Interesse aller? Fehlanzeige!
Was bedeutet es für uns Wiener:innen, wenn der „Wirtschaftsstandort gestärkt“ werden soll? In erster Linie geht es dabei um Geld, das in die Taschen weniger Konzernchef:innen fließt. Die Mehrheit profitiert
nicht davon. Dieses Projekt treibt nicht nur die Klimakrise weiter voran, das Geld fehlt auch in Bereichen, von denen wir tatsächlich etwas hätten: öffentlicher Verkehr, Pflege, Kindergärten, Gesundheit, gute Arbeitsbedingungen und faire Löhne. Die Initiative „Mehr für Care!“ legt offen, dass Investitionen im Pflege- und Sozialbereich doppelt so viele Arbeitsplätze schaffen wie Investitionen in klimaschädliche Megaprojekte. Der versprochene „soziale Wohnbau“ entpuppt sich als vorgeschobenes Argument. Es werden kaum Gemeindewohnungen gebaut, leistbare geförderte Wohnungen gibt es meist nur für einen begrenzten Zeitraum. Nach ein paar Jahren dürfen die Kapitalgesellschaften ein Vielfaches an Miete verlangen.
Die Angriffe der SPÖ Wien auf LobauBleibt sind nur die Spitze des Eisbergs. Unter der Oberfläche agieren Baukonzerne wie PORR und STRABAG, die Wirtschaftskammer, die Industriellenvereinigung und
die Betreiber des Flughafens Wien. Die SPÖ Wien interessiert sich nur für menschenfreundliche Verkehrskonzepte, solange diese Kapitalinteressen nicht hinterfragt werden. Dem können und müssen wir uns
entschlossen entgegenstellen. Am Ende muss klar sein: Mit so einer breiten Klimabewegung wird es für keine Stadtregierung mehr möglich sein, eine neue Autobahn umzusetzen.
Das Patriarchat fährt Auto
Die bis zu sechsspurige Stadtautobahn wird direkt an Wohngebieten, Kindergärten und Schulen vorbeiführen. Schon jetzt mussten unzählige Bäume und Teile von Parks den Baustellen Platz machen. Bei diesen
Aussichten stellt sich die Frage: Wer plant ein solches Projekt und wem wird es nutzen? Autofahren ist Männersache und dasselbe gilt für Straßenbau. Und genau daran orientiert sich Städtebau – noch immer. Autostraßen und motorisierter Individualverkehr stehen im Fokus. Gehsteige, Fahrradwege und autofreie öffentliche Räume müssen dazwischen Platz finden.
Diese Platzverteilung verdrängt nicht nur alle, die nicht Auto fahren können, wie Kinder oder ältere Menschen, sie ist vor allem für Männer gemacht: Der klassische Autofahrer in Wien ist männlich und Mitte 60. Im Mittel legt er 39% seiner Wege mit dem Auto zurück. Im Vergleich dazu nutzen Frauen zwischen 25 und 34 nur für 8% ihrer Wege einen PKW. (Quelle: Aktive Mobilität in Wien, 2021, Stadt Wien; in den für den Artikel verwendeten Studien wurde nur zwischen Männern und Frauen unterschieden. Daher werden nur diese Gender erwähnt.) Beim Anteil der Fußgänger:innen dreht sich das Verhältnis um. Frauen jeden Alters gehen öfter zu Fuß als ihre männlichen Mitmenschen.
Während Frauen fast ein Drittel ihrer Wege zu Fuß zurücklegen, sind es bei Männern nur 24%. Ein Grund dafür ist, dass Frauen noch immer den Großteil der unbezahlten Arbeiten („Care-Arbeit“) übernehmen –
Pflege, Hausarbeit und Kindererziehung. Viele dieser Tätigkeiten sind mit Fußwegen verknüpft. So werden mehr als die Hälfte der täglichen Einkaufswege zu Fuß erledigt. Während Männer einfache und direkte
Wege zur Arbeit und zurück haben, sind die täglichen Wege von Frauen meist sehr viel komplexer. Nicht genug, dass Frauen in der Regel die Verantwortung für sämtliche unbezahlte Arbeiten auferlegt bekommen
– das Verkehrssystem stellt sie vor zusätzliche Herausforderungen.
Wiens Straßen und Öffis sind wie ein Spinnennetz konzipiert, das im Zentrum zusammenläuft. Ein Vorteil für alle, die direkte, zentrale Wege nutzen. Die Fortbewegung innerhalb von Bezirken hingegen gestaltet
sich vor allem in den Randbezirken als besonders schwierig. So ist man innerhalb von 20 Minuten von der U-Bahn-Station Stadlau am Schottentor, der Weg zum Kindergarten hingegen ist ein Hürdenlauf.
Doch warum wird so geplant? Die Weise, wie Infrastruktur geplant und gebaut wird, ist historisch gewachsen. In unserer Industriegesellschaft hat sich der Arbeitsplatz im Durchschnitt immer weiter vom Wohnort
entfernt und dieser Weg wird in der Verkehrsplanung priorisiert. Der Mann als vermeintlicher Versorger der Familie hat Vorrang, wenn es um die Effizienzsteigerung von Wegen geht. Außerdem ist der Großteil der
Stadtplaner:innen männlich. Diese planen auf ihre eigenen Bedürfnisse zugeschnittene Städte und Verkehrswege. Dass Care-Arbeit andere Ansprüche an den öffentlichen Raum hat, wird da oft außer Acht gelassen.
Doch was bedeuten diese Fakten nun für die Stadtautobahn? Statt mehr als € 450 Millionen für eine Autobahn zu verschwenden, sollte die Stadtregierung endlich anfangen, den öffentlichen Raum gendergerecht zu planen! Denn das Geld würde der Gesellschaft wirklich nutzen, wenn es in öffentliche Verkehrsmittel in den Außenbezirken, gesicherte Fahrradwege und breite Fußgänger:innenwege investiert werden würde.
Um eine solche grundlegende Änderung herbeizuführen, bräuchte es eine Aufwertung von Care-Arbeit – aber auch einen größeren Anteil an mutigen Frauen in Entscheidungspositionen.
„Wo wären wir heute, wenn alle immer gehorsam gewesen wären?”
„Wo wären wir heute, wenn alle immer gehorsam gewesen wären?“, fragt LobauBleibt-Sprecherin Lucia Steinwender wenige Tage nachdem sie eine Klagsdrohung der Stadt Wien in Millionenhöhe erhalten hat. „Ziviler Ungehorsam“ ist das bewusste Übertreten von Gesetzen und gesellschaftlichen Normen mit dem Ziel, auf Ungerechtigkeiten hinzuweisen. Ohne soziale Bewegungen und zivilen Ungehorsam dürften Frauen heute nicht wählen, wäre Indien noch immer eine Kolonie. Es sähe schlecht aus um unsere Arbeitsrechte und viele wertvolle Naturräume wären unwiederbringlich verloren. All dies ist nicht vom Himmel gefallen, sondern wurde gegen ursprünglich geltendes Recht von der Zivilgesellschaft erkämpft und durchgesetzt. Ohne die vielen Menschen, die Unrecht mit Ungehorsam herausgefordert haben, würden wir in einer anderen Welt leben.
Die Besetzung der Hainburger Au ist das bekannteste Beispiel zivilen Ungehorsams in der österreichischen Geschichte. Im Winter 1984/85 besetzten tausende Menschen die Hainburger Au östlich von Wien, um
Rodungen für ein Kraftwerk zu verhindern. „Wir haben damals gesagt: Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht“, so die mittlerweile verstorbene Freda Meissner-Blau, Sprecherin der Aubesetzung,
im Interview 2008. „Nun hat meistens die Macht ja Recht. Auch wenn sie Unrecht hat.“ Aber man könne nicht darauf warten, dass von oben bestimmt werde, was zu geschehen habe, so Meissner-Blau.
Am 19. Dezember 1984 versuchte die Polizei mit Gewalt, den Auwald zu räumen. Noch am selben Abend versammelten sich 40.000 Menschen zu einer Solidaritätskundgebung in der Wiener Innenstadt. Der Druck
von der Straße konnte das Kraftwerksprojekt schließlich stoppen. Der Auwald wurde nicht gerodet, sondern Teil des Nationalparks Donauauen. Als sich am 31. August 2021 hundert Menschen, vor allem sehr junge,
vor die Bagger auf einer Baustelle der Stadtautobahn setzten, folgten sie dem Aufruf zu einem „Hainburg 2.0“. „Die Aufgabe heute ist noch größer“, sagt Wolfgang Rehm, der als 18-jähriger frisch nach der Matura
zur Besetzung der Hainburger Au stieß und sich seit Jahrzehnten gegen Lobau- und Stadtautobahn einsetzt. „Damals haben wir ein Kraftwerk verhindert, aber wir haben keine Energiewende geschafft.“ Es
habe zwar von Einzelnen Kritik daran gegeben, dass alles immer weiter wachsen müsse, doch der vorausschauende Blick auf das System hinter der Zerstörung habe gefehlt.
LobauBleibt kann in die Geschichte eingehen – als Bewegung, die die Lobauautobahn mit zivilem Ungehorsam stoppen konnte und eine klimagerechte Mobilitätswende ins Rollen brachte. Doch die Stadt
Wien versucht, die Absage der Lobauautobahn zu kippen und mit dem schnellen Bau der Stadtautobahn als Anschluss für die Lobauautobahn Fakten zu schaffen. Bisher hat die Stadtregierung dafür zwei Protestcamps gewaltsam räumen lassen. Das Protestcamp in der Anfanggasse aber besteht weiterhin und der Widerstand wird weitergehen.
Hainburg lehrt uns: Ziviler Ungehorsam, eine breite Bewegung und Massenproteste auf der Straße konnten das Kraftwerk stoppen. LobauBleibt braucht jetzt die Stimmen aller Unterstützer:innen, egal ob sie mit
auf die Straße gehen, beim Verteilen dieser Zeitung helfen oder Druck auf die SPÖ machen. Denn, wie es Lucia Steinwender auf den Punkt bringt: „Wir haben keine andere Wahl. Sollen wir einfach dabei zusehen, wie unsere Lebensgrundlagen zerstört werden, weil es in einem Bundesstraßengesetz von 1971 steht?“
„Die Politik schreibt Menschen vor, wie sie sich fortbewegen sollen“
Interview mit Stadtplaner Reinhard Seiß
Welche Prioritäten hat die Politik in Wien bei Stadtplanung und Verkehr in den letzten Jahrzehnten gesetzt?
Priorität war, ausgewählten Grundeigentümern, Baukonzernen und Spekulanten die gewünschten Gewinne zu sichern. Sozialpolitisch war der Wohnbau erfolgreich. Hinsichtlich Nachhaltigkeit, Zukunftstauglichkeit und Klimaschutz sehe ich aber ein weites Auseinanderklaffen zwischen dem propagandistischen Anspruch und der gebauten Wirklichkeit.
Wie sieht dieses Auseinanderklaffen aus?
Zum einen nennt sich Wien „Klimamusterstadt“, zum anderen treibt die Stadtregierung den alles andere als zukunftstauglichen Ausbau hochrangiger Straßen voran. Das ist das genaue Gegenteil von Verkehrswende und Klimaschutz.
Warum ist das schlecht?
Weil eine autoabhängige Stadt die Lebensgrundlagen zerstört, die wir retten wollen: erträgliches Klima, gesunde Luft, unversiegelten Boden, nicht zuletzt für die Lebensmittelproduktion. Es geht hier also um nicht weniger als die Vernichtung unserer Existenzgrundlagen.
Politiker:innen sagen oft, Menschen soll nicht vorgeschrieben werden, wie sie sich fortbewegen wollen.
Das ist lächerlich, weil die Politik mit ihren Entscheidungen über Jahrzehnte die Verkehrsmittelwahl vorweggenommen hat: Sie hat eine autoabhängige Stadt produziert. Dadurch schreibt sie hunderttausenden Menschen in der Großstadtregion vor, wie sie sich fortbewegen sollen: nämlich mit dem Auto. Ich bin mir sicher, dass viele freiwillig zu Fuß, mit dem Rad oder dem öffentlichen Verkehr unterwegs wären, wäre ihr Umfeld nicht auf Autos ausgerichtet.
Wie passt das Ziel „Klimamusterstadt“ zur Verkehrspolitik der Stadt mit Stadtautobahn und Lobautunnel?
Der Ausbau des hochrangigen Straßennetzes steht in völligem Widerspruch zu jedem Klimaschutz. Neue Straßen ziehen neuen Verkehr an. Das heißt: Steigerung des CO2-Ausstoßes und mehr problematische Bodenversiegelung.
Brauchen wir Projekte wie die Stadt- und Lobauautobahn nicht auch für das Wirtschaftswachstum?
Wenn wir unsere Einweg-Wirtschaft und unsere Wegwerf-Gesellschaft fortsetzen wollen, dann brauchen wir natürlich noch mehr von jener Art Wachstum, mit dem wir in den letzten Jahrzehnten unseren Planeten ramponiert haben. Wenn wir aber sagen, diese Wachstumsmanie ist in keiner Weise nachhaltig und hat katastrophale Folgen, dann ist das Wirtschaftswachstum, wie es bis jetzt verstanden wird, kein weiter zu verfolgendes Ziel: Es basiert auf Ausbeutung von Menschen, Vergeudung von Rohstoffen und umweltschädlichen Prozessen bei Abbau, Produktion und Handel. Unser Wirtschaftswachstum ist der beste Indikator für die globale Zerstörung, die wir beklagen.
Wie sollte ein Bezirk wie die Donaustadt heute weiterentwickelt werden?
Durch Nachrüstung in dichteren Siedlungsgebieten mit wirklich attraktivem öffentlichen Verkehr, vor allem Straßenbahnen, außerdem der Reaktivierung des in den letzten Jahren vernachlässigten Schienennetzes für den S-Bahn-Verkehr. Darüber hinaus sollten Wohnungen, Büros, Gewerbe und Handel verknüpft anstatt getrennt geplant und gebaut werden.
Was würde so ein Umbau für die Lebensqualität bedeuten?
Eine schrittweise Verbesserung. Ein reichhaltigeres Lebensumfeld, ein attraktiveres Stadtbild, kürzere Wege zum Arbeiten und Einkaufen, weniger erzwungener Autoverkehr, weniger Zeit im Stau.
Reinhard Seiß, Foto (c) Heidrun Schlögl
Widerstand ist unräumbar – Perspektive einer Besetzerin
Anfang April hat die Stadt in Kooperation mit der ASFINAG die letzte Besetzung gegen den Bau der Stadtautobahn räumen lassen. Denn: Ulli Sima „hat mit Protestcamps fertig“ (sic!). Wir sind ihnen ein Dorn im Auge, und wir wissen auch, warum.
„Mit Protestcamps fertig“ zu sein heißt für die SPÖ nicht nur, ungestört die Klimakrise durch Autobahnbau anzufeuern, sondern auch etwas zu zerstören, vor dem sie Angst hat: Offene Orte, an denen Austausch zwischen unterschiedlichen Gruppen auf Augenhöhe stattfinden kann. Orte für freie Kultur, partizipative Diskussionsrunden und kreatives Gärtnern. Orte, an denen sich kritische, antikapitalistische Alternativen entwickeln können, hin zu einer sozialen und klimagerechten Stadt.
Mit dieser Räumung zeigt die Stadtregierung, welche Stimmen in ihrer Politik am meisten wiegen: nicht jene der Bürger:innen, sondern die der Baufirmen und Investor:innen. Die Reaktion der Stadt auf politische Beteiligung in Wien ist daher: hunderte Polizist:innen und Hundestaffeln. Wir haben fertig mit euch und eurer Betonpolitik!
Ein großer Baum…
+ kompensiert den CO2-Ausstoß von fast drei Einfamilienhäusern
+ produziert Sauerstoff für zehn Menschen
+ filtert 35.000 Kubikmeter Luft pro Tag durch etwa 1.200 m² Blattoberfläche
+ reduziert Feinstaub-, Pollen- und Bakterienbelastung
+ macht Schatten und kühlt, indem er mehrere hundert Liter Wasser aufnimmt und die gleiche Menge verdunstet
+ ist wichtig für den Wasserkreislauf im Boden
+ bietet Heim und Nahrung für Tiere
Quelle: Natur im Garten
Bewegung verbindet
Wir hatten uns einzeln schon ein bisschen gekannt, bevor wir zu dritt mehr Zeit miteinander verbrachten. Durch das Camp und die Besetzung wurde das viel intensiver. Es ist einfach etwas anderes, ob du jemanden vom Sehen kennst oder eine Nacht neben der Person auf engstem Raum verbracht hast, weil im Turm (Gebäude auf der Besetzung, Red.) halt nicht viel Platz war. Wir haben eine Weile sehr viel Zeit zu dritt verbracht und hatten gemeinsame Erlebnisse, wodurch wir uns irgendwann sehr gut ineinander hineinversetzen konnten und merkten, wie gut wir uns verstehen.
Lektüretipp: „Letzte Generation“ von Paula Dorten und Marcus Wadsak
Die Klimakrise ist die größte Bedrohung der Menschheit. Dieses Manifest ist eine Aufforderung an die Bürger:innen, auf die Straße zu gehen, ihre Stimmen zu erheben und Klimagerechtigkeit zu fordern. Es ist der einfache, lautstarke Wunsch nach einer Zukunft. Aktivistin Paula Dorten erzählt von ihren Ängsten und Träumen. Klimaexperte und Meteorologe Marcus Wadsak erklärt anhand von wissenschaftlichen Fakten, warum wir keine Zeit mehr haben und die Klimakrise unser Leben für immer verändern wird. Noch haben wir die Möglichkeit, diese Veränderung zu gestalten. Es ist die einzige Chance der Menschheit, diese Generation nicht die letzte sein zu lassen.
Buchpräsentation: 15. Mai, 13.30, im Rahmen des Kultur statt Beton-Festivals
#LobauBleibt jetzt in GANZ Wien
Wir haben eine Welt zu gewinnen. Dafür braucht es uns alle!
Mach mit bei den Verteilaktionen der LobauBleibt-Zeitung in ganz Wien (www.facebook.com/LobaubleibtinWien)
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- 6. Mai, 18:00: Öko-Revolte? In ganz Europa? Diskussion mit Aktivist:innen aus Serbien und Australien zu internationaler Zusammenarbeit, Protestcamp
- 13. Mai 15:00 “Bäume statt Autos”, Kundgebung gegen die Wiener Verkehrspolitik, Hörlgasse/Wasagasse
- 14. & 22. Mai, 13:00: Wie Baukonzerne die Zukunft verbauen – Spaziergang entlang der Stadtautobahn, Treffpunkt U2 Hausfeldstraße
- 15. Mai: Kultur statt Beton-Festival am Protestcamp mit Buchpräsentation von Paula Dorten und Marcus Wadsak
- 22.-29. Mai: „Klimacamp bei Wien“ mit Workshops und Kulturprogramm am Protestcamp www.klimacamp.at
- 25. Mai, Aktionstag gegen die Stadtautobahn
- 28. Mai, 12:00: LobauBleibt kommt zum Landesparteitag der SPÖ Wien. Treffpunkt: SCHWEDENPLATZ
- 10.-17. Juni: LOBAUsstellung, Kollektiv Kaorle, Schmalzhofgasse 5/2
Protestcamp (angemeldete Versammlung): Parkanlage Anfanggasse, 1220 Wien
Aktuelle Infos hier: t.me/Lobaubleibt